Das Forum Hospital Management 2025 widmet sich dem Thema Vertrauen. Dr. Michael Heinisch spricht im INGO-Interview über die Bedeutung von Transparenz und die richtige Balance zwischen Vertrauen und Kontrolle im Gesundheitswesen.
Interview: Birgit Kofler
Das Motto des Forum Hospital Management lautet in diesem Jahr „Vertrauen in bewegten Zeiten“. Was hat Sie und Ihre Kollegen im wissenschaftlichen Leitungsgremium dazu bewogen?
Michael Heinisch: Wir beobachten einen deutlichen Vertrauensverlust im Gesundheitswesen. Es sind viele Mitspieler*innen auf dem Feld, die eigentlich ein gemeinsames Ziel verfolgen sollten: Möglichst den Ball in das Tor zu bringen – also die Zahl der gesunden Lebensjahre der Bevölkerung zu erhöhen, das Lebensalter zu verlängern und die Menschen ganzheitlich zu begleiten. Doch dazu braucht es gegenseitiges Vertrauen. Stattdessen erleben wir immer mehr Regelungen, weil offensichtlich die Steuerung der Aktivitäten über gemeinsame Ziele und über Vertrauen so nicht mehr funktioniert. Diese Beobachtung führte uns zum Thema Vertrauen – über das Gesundheitswesen hinaus – und zur Frage, warum es so elementar ist. Vertrauen reduziert die Komplexität, senkt den Abstimmungs- und natürlich auch den Regelungsbedarf erheblich. Unter anderem wollen wir auch den Vertrauensverlust in die Politik beleuchten. Das ist ein Aspekt, der sich gerade in den letzten Monaten sehr verstärkt hat und zeigt, wie aktuell unser Thema ist.
Ist von diesem schwindenden Vertrauen der Bürger*innen in Politik und Institutionen auch das Gesundheitswesen betroffen?
Michael Heinisch: Definitiv. Die einschlägigen Umfragewerte zeigen eine wachsende Skepsis. Die hohe Zustimmung, die das Gesundheitswesen früher genoss, geht zurück. Das müssen wir sehr ernst nehmen und genau analysieren, worauf sich die Bedenken der Menschen bezüglich Qualität und Zugänglichkeit des Gesundheitswesens im Detail beziehen.
Das Forum Hospital Management gibt es heuer bereits zum 21. Mal. Was macht diese Kooperation zwischen Universitätsklinikum AKH Wien, Wirtschaftsuniversität Wien und Vinzenz Gruppe so besonders?
Michael Heinisch: Unsere Zusammenarbeit war immer inspiriert durch das gemeinsame Agieren von Wissenschaft und Praxis. Das ist eine wundervolle Partnerschaft geworden und geblieben. Die Vinzenz Gruppe selbst bringt ihre Alltagserfahrungen ein, wir sehen, wo es gut läuft, wo es brennt und wo Lösungen gefragt sind. Die Universität wiederum verfügt über exzellente Kontakte zu Forscher*innen, die genau diese Themen wissenschaftlich durchdringen. Dieser hervorragende Mix von wissenschaftlichem Input und den Erfahrungen aus der Praxis schafft einen besonderen Mehrwert. Was uns zusätzlich auszeichnet: Wir schauen konsequent immer über den Tellerrand hinaus. Das Forum Hospital Management ist kein klassischer Gesundheitskongress, wie es viele gibt, mit den üblichen Diskussionen über Managementprozesse oder Strukturthemen. Wir setzen bewusst auch stark auf philosophische und volkswirtschaftliche Perspektiven. Wir nehmen eine Meta-Ebene ein, um die wirklich relevanten Themen zu identifizieren. Genau deshalb hat sich das Forum Hospital Management auch bewährt und ist zu einer festen Größe im Veranstaltungskalender geworden. Interessant ist es für alle Entscheidungsträger*innen, die strategische Weichenstellungen vornehmen müssen. Für Menschen, die aktuelle Entwicklungen fundiert einordnen wollen. Unser Anspruch ist es, wachzurütteln, indem wir Probleme sehr offen ansprechen und gleichzeitig – auch manchmal - disruptive Lösungen anbieten. Wenn Teilnehmer*innen mit zwei, drei völlig neuen Ideen die Veranstaltung verlassen, haben wir unser Ziel erreicht – und das gelingt uns seit Jahren.
Zurück zum Vertrauensthema: Wie lässt sich das schwindende Vertrauen zwischen den Akteur*innen im Gesundheitswesen wieder stärken?
Michael Heinisch: Ich plädiere für eine umfassende Zielvereinbarung für das österreichische Gesundheitswesen. Eines der Ziele sollte sein, dass die Akteur*innen einander auch einmal im Jahr sagen, was sie am jeweils anderen gut finden. Sozialversicherung, Gesundheitspolitik, Krankenhäuser, niedergelassene Ärzt*innen, Kammern – alle leisten wichtige Beiträge. Wir tendieren dazu, uns bei den jeweils anderen auf Defizite und Probleme zu konzentrieren. Was fehlt, ist die Anerkennung der jeweiligen Stärken und Leistungen. Echter Dialog, Respekt und Wertschätzung sind Grundpfeiler für Vertrauensbildung. Hinzu kommt Transparenz: Was wurde umgesetzt? Mit welchem Erfolg? Diese Elemente zusammen könnten einen bedeutenden Vertrauensgewinn bewirken.
All diese Akteur*innen müssen kooperieren, damit die Bürger*innen ihr Vertrauen ins Gesundheitssystem wieder zurückgewinnen. Wie können Einrichtungen, wie sie die Vinzenz Gruppe betreibt, zu einer besseren Vertrauenskultur beitragen?
Michael Heinisch: Auch hier ist Offenheit ein Schlüssel. Wir müssen offen kommunizieren, was wir tun, wie wir es tun und mit welchem Erfolg wir es tun. Wir setzen dabei auf verlässliche Qualitätsanker wie Zertifizierungen durch externe, unabhängige Prüfer*innen, die auch für die Patient*innen nachvollziehbar sind. Auf den Punkt gebracht: Transparenz in einem umfassenden Sinn ist auch hier ein Fundament für nachhaltige Vertrauensbildung.
Beim Forum Hospital Management werden auch die großen Bedrohungsszenarien für Österreich und das Thema Cyberkriminalität diskutiert. Wo stößt das Vertrauen an seine Grenzen?
Michael Heinisch: Vertrauen ist zwar eine der wertvollsten Ressourcen für unser Zusammenlebens, für Stabilität und Zusammenarbeit. Aber wir dürfen nicht naiv sein. Es gibt Bereiche, in denen man mit Vertrauen allein nichts ausrichten kann. Cyberkriminalität ist ein gutes Beispiel. Die Anzahl der Cyberangriffe steigt und auch das besonders sensible Gesundheitswesen ist immer häufiger betroffen. Wenn unsere Systeme ausfallen, hat das unmittelbare dramatische Konsequenzen. Hier sind Kontrolle und klare Regelungen durch technische und legislative Schutzmaßnahmen unumgänglich. Entscheidend ist aus meiner Sicht die Kunst der Balance. Europa neigt zur Überregulierung, mit einem Übermaß an Kontrolle. An Vertrauen aber haben wir definitiv zu wenig. Eine bessere Ausgewogenheit würde nicht nur den Akteur*innen des Gesundheitssystems zugutekommen, sondern insbesondere auch den Patient*innen.
Dr. Michael Heinisch ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Vinzenz Gruppe. Er studierte an der Wirtschaftsuniversität Wien, arbeitete am Management-Zentrum St. Gallen und bei der VA Tech. Michael Heinisch lehrt Health Care Management an der Wirtschaftsuniversität Wien und der Donau-Universität Krems und ist Vorsitzender des Universitätsrates der Medizinischen Universität Graz.
Bereits zum 21. Mal findet am 3. April 2025 in Wien das Forum Hospital Management statt, eine gemeinsame Initiative von AKH Universitätsklinikum Wien, Wirtschaftsuniversität Wien und Vinzenz Gruppe. Die Initiator*innen suchen neue Antworten und Strategien für die großen Management-Herausforderungen im Gesundheitswesen. In diesem Jahr steht die Veranstaltung unter dem Motto „Vertrauen in bewegten Zeiten“
Titelbild: v.l.n.r Dr. Michael Heinisch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Vinzenz Gruppe; DI Herwig Wetzlinger, Direktor des Universitätsklinikum AKH Wien, CFO und Generaldirektor-Stellvertreter des WIGEF; a.o. Univ. Prof. Dr. Johannes Steyrer, akademischer Leiter des Executive MBA Studiums Health Care Management, WU Wien © Vinzenz Gruppe/ Alek Kawka