Königsberger-Ludwig im Interview
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„Das solidarische System stärken“

Gesundheitspolitik
Personen & Porträts

Gesundheits-Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig spricht im INGO-Interview über ihre Ziele, das öffentliche Gesundheitswesen weiterzuentwickeln und Vertrauen zurückzugewinnen.

Interview: Birgit Kofler

Die Gesundheitsagenden sind durch das Staatssekretariat unter ihrer Leitung gegenüber der letzten Regierung aufgewertet worden. Viele Menschen im Gesundheitswesen haben aber auf ein eigenständiges Gesundheitsministerium gehofft. Hätte das die Bedeutung des Themas nicht noch mehr unterstrichen?

Ulrike Königsberger-Ludwig: Alle Agenden in diesem großen Ressort sind gut aufeinander abgestimmt. Arbeit, Soziales und Gesundheit – da gibt es viele Überschneidungen und Zusammenhänge. Es ist ein Mehrwert, dass man all diese Themen ganzheitlich denken, planen und umsetzen kann. Das Staatssekretariat betont die Wichtigkeit des Gesundheitsthemas, dem sich jetzt mit Korinna Schumann und mir gleich zwei Politikerinnen widmen. Unser großes Anliegen ist es, das Gesundheitswesen weiterzuentwickeln und das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen.

Wie konkret sollen wir uns dieses Wiedergewinnen des Vertrauens vorstellen?

Ulrike Königsberger-Ludwig: Es ist nicht sinnvoll, immer die angebliche Apokalypse unseres Systems herbeizureden. Bei allen Problemen – vieles funktioniert gut, dank der unglaublich engagierten Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten. Ich habe den Eindruck, dass alle Systempartner das gemeinsame Ziel haben, unser solidarisches Gesundheitssystem zu stärken. Das ist zentral – es darf bei der Gesundheitsversorgung keine Rolle spielen, was die Menschen verdienen oder wo sie leben. Um Vertrauen zurück zu gewinnen, muss sich spürbar etwas verbessern. Die Wartezeiten müssen sich auch im Spital bei den OP‘s verkürzen, es muss ein gutes, flächendeckendes Angebot geben.

Was sind konkrete Hebel, um etwa die Wartezeiten auf OP-Termine zu verkürzen, die viele Patient*innen als sehr belastend erleben?

Ulrike Königsberger-Ludwig: Der wichtigste Hebel sind die personellen Ressourcen des stationären Bereichs, Häuser allein reichen nicht. Hier gibt es wirklich großen Handlungsbedarf. Wir müssen auch kritisch hinschauen, wo welche Leistungen am besten angeboten werden. Das Konzept des „Best Point of Service“ muss endlich mit Leben erfüllt werden. Ich halte auch ein transparentes Wartezeitenmanagement für wichtig. Und es wird wohl auch zu prüfen sein – aber hier sprechen wir über Länderkompetenz – wo es welche Angebote geben soll, vor allem auch betreffend tagesklinischer Eingriffe.

Manche frühere Gesundheitsminister*innen haben den Job als besonders undankbar beschrieben, weil man kaum Kompetenzen habe und trotzdem für alles verantwortlich gemacht werde. Vor diesem Hintergrund – wo wollen und werden Sie konkret Ihre Schwerpunkte setzen?

Ulrike Königsberger-Ludwig: Mein wichtigstes Anliegen habe ich bereits angesprochen – alles dafür zu tun, das solidarische Gesundheitssystem zu stärken. In der Bundeszielsteuerungskommission, sind fast alle wichtigen Akteure vertreten, um den Versorgungsauftrag gemeinsam zu planen und zu erfüllen. Hier hat man auf der Bundesebene einen wichtigen Hebel.

Die Patient*innenlenkung ist im Regierungsprogramm prominent angesprochen. Kann sie denn ohne verbindliche Maßnahmen wirklich funktionieren?

Ulrike Königsberger-Ludwig: Man kann grundsätzlich in dem Zusammenhang auf Sanktionen oder Anreize setzen. Meine Präferenz liegt bei Anreizen. Wir analysieren das gerade im Detail, hier gibt es hervorragende Vorarbeiten. Wir haben mit 1450 eine Gesundheitshotline, die eine durchaus prominente Rolle spielen soll. Darüber hinaus müssen wir kreativ sein. Ein Anreizmodell könnte sein, dass Personen, die den vorgesehenen Pfad nehmen, einen schnelleren Zugang zu bestimmten Vorsorgeuntersuchungen bekommen. Die Menschen müssen den Nutzen der Lenkungssysteme konkret spüren, dann werden sie sie auch annehmen.

Einer der Ansätze ist, Hausärzt*innen zu Lots*innen durch das System zu machen. Wäre das ein gangbarer Weg?

Ulrike Königsberger-Ludwig: Das ist eine von vielen Varianten. Wir müssen die Modelle gemeinsam mit den Betroffenen im System erarbeiten und nicht von außen vorgeben. Alles steht und fällt natürlich auch damit, dass ein ausreichendes Angebot im niedergelassenen Bereich vorhanden ist. Also muss es uns gelingen, mehr Ärztinnen und Ärzte in das Kassensystem zu bringen bzw. in dieses zurückzuholen.

Interview Königsberger-Ludwig
Königsberger-Ludwig im Interview
Königsberger-Ludwig im Interview
Königsberger-Ludwig im Interview
Königsberger-Ludwig im Interview
Königsberger-Ludwig im Interview
Königsberger-Ludwig im Interview
Königsberger-Ludwig im Interview

Wie kann das funktionieren?

Ulrike Königsberger-Ludwig: Es beginnt mit ausreichend vielen Studien- und Ausbildungsplätzen. Und es muss uns gelingen, junge Menschen für unser solidarisches Gesundheitssystem zu begeistern. Primärversorgungseinheiten sind ein wichtiger Ansatz, denn wir wissen, dass junge Ärztinnen und Ärzte lieber im Verbund arbeiten. Damit könnten wir sie für das solidarische Gesundheitssystem begeistern. Wir müssen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass im niedergelassenen und im Spitalsbereich Zeit für Zuwendungsmedizin vorhanden ist – dann wird es auch attraktiver sein, in diesem Bereich zu arbeiten.

Laut Regierungsprogramm soll der Aufnahmetest zum Medizinstudium reformiert werden, auch eine freiwillige Verpflichtung zur Arbeit im solidarischen Gesundheitssystem soll gefördert werden. Wie wird das konkret aussehen?

Ulrike Königsberger-Ludwig: Da arbeiten wir noch an den Details. Der Aufnahmetest wird jedenfalls reformiert, um soziale Kompetenzen stärker zu berücksichtigen. Das ist eine lang gehegte Forderung der Ärztekammer. Engagement in einem Ehrenamt könnte beispielsweise einfließen. Für die Arbeit im öffentlichen Gesundheitssystem müssen attraktive Anreize geschaffen werden – ob finanzieller, etwa durch Stipendien, oder anderer Natur.

In welchen medizinischen Fächern besteht der größte Handlungsbedarf, mehr Ausbildungsstellen zu schaffen?

Ulrike Königsberger-Ludwig: Es gibt spürbar Engpässe im Kassensystem, etwa in der Gynäkologie, Pädiatrie oder Dermatologie. Um die Planung evidenzbasiert durchführen zu können, brauchen wir zunächst eine umfassende Bedarfserhebung, die auch aktuelle Trends wie den Wunsch nach vermehrter Teilzeitarbeit berücksichtigt.

Wie lässt sich die im Regierungsprogramm vorgesehene Stärkung von Prävention und Gesundheitskompetenz umsetzen, besonders angesichts des notwendigen Sparkurses?

Ulrike Königsberger-Ludwig: Wir müssen möglichst früh im Leben schon ein Gesundheitsbewusstsein schaffen. Frühe Hilfen und der Eltern-Kind-Pass sind hier wichtige Instrumente, letzterer soll bis zum 18. Lebensjahr ausgeweitet werden. Schulen spielen hier ebenfalls eine wichtige Rolle. Impfungen sind eine zentrale Säule in der Prävention, wir müssen die Impfprogramme weiter ausbauen. Das nationale Impfgremium hat eine Prioritätenliste erstellt, welche Impfungen ehestmöglich in ein kostenloses Impfprogramm aufgenommen werden sollten. Dafür ist auch das Budget vorhanden, es stehen 90 Millionen Euro zur Verfügung. Es geht in Zeiten beschränkter Mittel darum, Schwerpunkte zu setzen. Und das ist ein wichtiger Schwerpunkt, ebenso wie die Vorsorgeuntersuchungen.

Das große Zukunftsthema im Gesundheitssystem ist die Digitalisierung. Das Regierungsprogramm spricht unter anderem die Modernisierung der ELGA an. Wie wird sich diese konkret auf Gesundheitsdienstleister*innen und Patient*innen auswirken?

Ulrike Königsberger-Ludwig: Ein erklärtes Ziel ist es, endlich eine Patient Summary zur Verfügung zu stellen, das wird die Ärztinnen und Ärzte unterstützen und das Instrument tauglicher machen. Auch nichtärztliche Gesundheitsberufe sollen an die ELGA angebunden werden. Bilddaten sollen integriert werden, damit wirklich alle Befunde digital verfügbar sind und die Menschen nicht mehr mit dem sprichwörtlichen Plastiksackerl zum Arzttermin gehen müssen. Wenn wir den Nutzen einer solchen modernen digitalen Lösung deutlich machen, dann wird sie auch genützt werden. Vor allem im Bereich von chronischen Erkrankungen kann das eine sehr positive Rolle spielen, mit Erinnerungsfunktionen und vielem mehr. Ein anderes wichtiges Thema im Zusammenhang mit der Digitalisierung ist aus meiner Sicht, dass wir auch in der digitalen Welt die Gesundheitskompetenz schärfen müssen. Wir müssen Menschen dabei unterstützen, in der großen Informationsvielfalt Fake News von seriösen Gesundheitsinformationen zu unterscheiden.

Zuletzt war viel vom Finanzierungsloch in der Sozialversicherung die Rede, wie lässt sich das schließen?

Ulrike Königsberger-Ludwig: So banal es vielleicht klingt, so wahr ist es: Wir müssen die Mittel effizient einsetzen. Womit wir wieder vor allem bei der vorher besprochenen Patientenlenkung sind, die etwa durch Vermeidung von Mehrfachbefundungen Einsparungen bringen kann. Ich will keine Leistungskürzungen, sondern vielmehr keine Doppelbefundungen. Es ist mir wichtig, dass, wenn wir das System weiterentwickeln wollen, es nur dann funktioniert, wenn sich alle aufeinander zubewegen. Ich werde jedenfalls mit all meiner Leidenschaft und meinem Optimismus versuchen, diesen Weg zu unterstützen und fungiere gerne – wie schon in der Vergangenheit – als Brückenbauerin.

Zur Person

Ulrike Königsberger-Ludwig ist Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Zuletzt war sie seit 2018 Landesrätin für Soziale Verwaltung, Gesundheit und Gleichstellung in Niederösterreich und zuvor viele Jahre Abgeordnete zum Nationalrat.

 Fotos: © Nicholas Bettschart

 

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