1,7 Prozent der Patient*innen nehmen auch Monate nach einem operativen Eingriff noch Opioide. Das zeigt eine aktuelle Studie der MedUni Wien. Besonders nach Wirbelsäulen-OPs, Gelenkersatz oder Bauchwandbrüchen besteht ein erhöhtes Risiko für anhaltenden Opioid-Konsum.
In einer Studie der Medizinischen Universität Wien wurde erstmals die Häufigkeit des sogenannten „neuen anhaltenden Opioidkonsums“ (NPOU) nach Operationen in Österreich untersucht. Die Ergebnisse, veröffentlicht im Fachmagazin „JAMA Network Open“, liefern wichtige Erkenntnisse für das postoperative Schmerzmanagement.
Ein Forschungsteam der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie der MedUni Wien analysierte Daten der Österreichischen Sozialversicherungen von 559.096 Patient*innen, die zwischen 2016 und 2021 insgesamt 642.857 Operationen durchliefen. Im Fokus stand die Frage, wie viele der Patient*innen auch noch mindestens drei bis sechs Monate nach dem Eingriff Opioide einnehmen – ein Zeitraum, in dem akute postoperative Schmerzen in der Regel abklingen sollten. Die Studie zeigt, dass in Österreich 1,7 Prozent der Patient*innen, die vor der Operation keine Opioide konsumiert haben, auch sechs Monate nach dem Eingriff noch Schmerzmittel aus dieser Medikamentengruppe einnehmen.
NPOU hat sich im Rahmen der Opioidkrise in den USA also ein wesentlicher problematischer Faktor herausgestellt, bis zu sieben Prozent der US-Patient*innen entwickeln nach einer Operation einen fortgesetzten Opioidgebrauch. „Für Österreich, aber auch für Europa insgesamt, haben solche Angaben bisher gefehlt“, erklärt Studienerstautor Razvan Bologheanu den Hintergrund.
Überdurchschnittlich hoch ist den neuen Daten zufolge das NOPU-Risiko mit einer Rate von 6,8 Prozent nach Wirbelsäulenoperationen, berichtet Studienleiter Oliver Kimberger (Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie der MedUni Wien). Ein deutlich erhöhtes Risiko für fortgesetzten Opioidgebrauch wurde auch nach Gelenkersatz- und Bauchwandbruch-Operationen festgestellt. Nach chirurgischen Eingriffen am Blinddarm etwa liegt die Rate bei nur 0,3 Prozent.
Neben der Art der Operation spielen auch das Alter und Begleiterkrankungen eine Rolle. Höheres Alter, chronische Schmerzen und psychiatrische Erkrankungen, insbesondere Stimmungs- und Substanzgebrauchstörungen, stehen in einem signifikanten Zusammenhang mit postoperativem Opioidkonsum. Auch Personen, die vor der Operation Opioide eingenommen haben und den Konsum vor dem Gang ins Krankenhaus eingestellt hatten, zählen besonders häufig zur NPOU-Gruppe.
„Unsere Studie zeigt, dass fortgesetzter Opioidkonsum nach Operationen auch in Österreich ein wichtiges Thema ist, obwohl eine deutlich restriktivere Verschreibungspraxis herrscht als etwa in den USA“, so die Autor*innen. „Die von uns identifizierten Risikofaktoren für NPOU sollten im postoperativen Schmerzmanagement berücksichtigt werden, um die Gefahr von Opioidabhängigkeiten zu reduzieren.“
Titelbild: Sasint auf Pixabay
Publikation: Razvan Bologheanu, Aylin Bilir, Lorenz Kapral, Felix Gruber, Oliver Kimberger, New Persistent Opioid Use After Surgery
doi: 10.1001/jamanetworkopen.2024.60794
https://jamanetwork.com/journals/jamanetworkopen/fullarticle/2830453