Bei Babys, Kindern und Jugendlichen durchlaufen Muskeln, Gewebe, Knochen sowie Hormonhaushalt und Stoffwechsel fortlaufend Veränderungen. In diesen sensiblen Phasen kann die Kinderosteopathie mögliche Blockaden lösen und die Gesundheit junger Patient*innen nachhaltig stärken, sagt Kinderosteopathin Gudrun Wagner im Gespräch mit INGO.
Text: Rosi Dorudi
Osteopathie ist vielen als sanfte, manuelle Therapie bekannt. „Sie ist eine eigenständige, ganzheitliche Therapiemethode, bei der wir den Körper erspüren und bei Bedarf behandeln“, erklärt Dr.in Gudrun Wagner, Allgemeinmedizinerin und Obfrau des Osteopathischen Zentrums Wien Gegliedert wird die Osteopathie klassischerweise in drei Bereiche: die parietale, viszerale und kraniosakrale Osteopathie. „Während sich die parietale Osteopathie auf den Bewegungsapparat konzentriert, behandelt die viszerale Osteopathie die inneren Organe“, erläutert Wagner. Die kraniosakrale Osteopathie hingegen richtet ihren Fokus auf das Nervensystem sowie die damit verbundenen Strukturen, insbesondere im Bereich von Kopf und Wirbelsäule. Ziel ist es, durch gezielte Analyse und therapeutische Berührungen den Körper so zu stimulieren, dass er sich selbst um den Heilungsprozess kümmern kann.
„Die Kinderosteopathie ist speziell auf die Bedürfnisse von jungen Patient*innen ausgerichtet“, fährt Wagner fort. „Bei Babys beispielsweise ist es oft schwierig, die Ursache von Beschwerden zu erkennen, da sie sich noch nicht sprachlich äußern können.“ In solchen Situationen agieren Kinderosteopath*innen wie Übersetzer*innen: Sie erspüren die Störungen und behandeln sie auf sanfte Art – ohne Medikamente oder Operationen. „Natürlich, soweit es medizinisch vertretbar ist“, betont Wagner. Besonders Neugeborene, die nach der Geburt unter Kompressionen leiden oder einen schwierigen Start – wie bei einer Frühgeburt – hatten, können von den sanften Berührungen der Osteopathie profitieren. „Wir helfen dem Körper, diese ersten Stresssituationen zu bewältigen und Spannungen abzubauen.“
Umfassende Ausbildung
Die Kinderosteopathie kann bei zahlreichen Symptomen helfen. „Je früher damit begonnen wird, desto besser können Blockaden in den verschiedenen Körpersystemen gelöst und die gesunde Entwicklung bewusst gefördert werden“, so die Expertin. Beispiele reichen von Saug- und Schluckproblemen, Reflux, Schielen, Tubenkatarrh und Darmkoliken bis hin zu Bronchitis, Asthma, Lernproblemen, Verhaltensstörungen und Autismus. „Die Bandbreite ist groß, wir können an vielen Stellen ansetzen“, so Wagner. Da die Kinderosteopathie eine Spezialdisziplin ist, erfordere sie eine besondere Ausbildung. Diese bietet das Osteopathische Zentrum für Kinder (OZK), das nach dem Vorbild des Osteopathic Centre for Children (OCC) in London gegründet wurde, seit 1998 an. Hier werden erfahrene Osteopath*innen zu qualifizierten Kinderosteopath*innen weitergebildet. „Das Team des OZK besteht aus Osteopath*innen mit einer sechsjährigen Grundausbildung, die durch eine zweijährige Spezialisierung in pädiatrischer Osteopathie erweitert wurde“, erklärt Wagner. Dieses Fachwissen wurde zudem durch Austausch mit den beiden anderen Kinderosteopathie-Ausbildungseinrichtungen in England und Italien sowie durch Supervisionen und Fortbildungen weiter vertieft. Ergänzt werde das Team des OZK durch Osteopath*innen, die sich derzeit auf die speziellen Anforderungen der Kinderosteopathie vorbereiten. „Die Behandlung von Kindern gehört bei uns zur praktischen Ausbildung. Sie erfolgt daher auf Spendenbasis“, fügt Wagner hinzu.
Spenden vonnöten
Seit über 25 Jahren setzt sich das Team des OZK für eine fundierte Ausbildung mit einheitlichen Richtlinien und eine gesetzlich anerkannte Berufsausübung der Osteopathie ein. „Nur so können wir die Sicherheit und Qualität, insbesondere für unsere jungen Patient*innen, gewährleisten.“ Jährlich betreut das OZK zwischen zwei- und dreitausend Kinder und kooperiert mit einer Neonatologie in einem Wiener Gemeindespital, wo Frühgeborene in den ersten Lebenstagen osteopathisch unterstützt werden. „Seit unserer Gründung setzen wir uns dafür ein, Kindern aus allen sozialen Schichten die besten Startbedingungen zu ermöglichen – unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten ihrer Familien.“ Um diese wichtige Arbeit fortzuführen, ist das OZK auf Spenden angewiesen, da ein Großteil der Leistungen ehrenamtlich erbracht wird. Da der Verein seit Jahren das Spendengütesiegel erhält, sind die Spenden auch von der Steuer absetzbar. „Jede Spende – ob groß oder klein – trägt dazu bei, unsere wertvolle Arbeit zu sichern“, sagt Wagner.
Foto: Wagner/privat