Studien zeigen, dass die Visite von Haustieren in Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen Heilungsprozesse von Patient*innen beschleunigen und Angstzustände verringern kann. Während es mit dem Einsatz von speziellen Therapietieren unter anderem auf Palliativ- und Geriatrie-Stationen bereits viel Erfahrung gibt, ist die Einbindung patient*inneneigener Haustiere in Österreich weitgehend Neuland.
Text: Karin Lehner
Zachary Nobel kämpfte in einem Spital im kanadischen Hamilton gegen den Krebs. Allerdings nicht allein. Sein Rauhaardackel Chase erleichterte ihm die angsteinflößende Zeit im Krankenhaus, brachte ihn zum Lachen und vertrieb zumindest kurzzeitig Sorgen. Obwohl Nobel den Kampf gegen das aggressive Hodgkin-Lymphom verlor, verschönerte ihm der Vierbeiner die Tage so sehr, dass ihm seine Tante vor dem Tod versprechen musste, eine Stiftung zu gründen, damit andere Patient*innen ebenfalls die Chance auf den Besuch ihrer geliebten Fellnasen bekommen. Dank der Organisation „Zachary’s Paws For Healing“ können seither in allen sechs Spitälern Hamiltons Patient*innen von den eigenen Haustieren besucht werden.
Derartiges gibt es nicht nur in Nordamerika. Triest gilt als hundefreundlichste Stadt Italiens. Diesem Ruf wird die Adriametropole jetzt auch im Gesundheitswesen gerecht. Die regionale Gesundheitsbehörde ASUGI hat kürzlich grünes Licht für den Besuch von Hunden, Katzen und Nagern bei ihren Besitzer*innen gegeben, die stationär im Triestiner Krankenhaus Maggiore behandelt werden, andere Häuser sollen folgen. Die Auflagen und organisatorischen Rahmenbedingungen wurden schon zuvor in kleinen Projekten im Friaul erprobt.
Beispiele für Haustiere auf Spitalsstationen gibt es auch bei den deutschsprachigen Nachbarn. In der Palliativstation des Universitätsklinikums Göttingen dürfen Patient*innen ihren Hund mitbringen, als Ruhepol und emotionale Unterstützung. In der Universitären Psychiatrischen Klinik in Basel gelten Haustiere von Patient*innen ebenso als willkommener Wohlfühlfaktor. Im oft mit Unsicherheit verbunden Krankenhausalltag vermitteln sie Geborgenheit und ein Stück Alltagsnormalität, unter anderem in Post-COVID-Ambulanzen, der Physio- und Psychotherapie, oder Sterbebegleitung. In Österreich ist der Haustierbesuch im akuten Kliniksetting bis dato nicht – oder nur in ganz speziellen individuellen Ausnahmefällen – möglich. Hierzulande haben vor allem Palliativstationen und geriatrische Einrichtungen bereits viel Erfahrungen mit dem Einsatz von speziell ausgebildeten Therapietieren, die Einbeziehung von eigenen Tieren der Patient*innen ist hingegen noch weitgehend Neuland.
Weniger Stress und Schmerz
Die positiven Effekte des Kontakts mit tierischen Begleitern sind lange bekannt. Florence Nightingale berichtete bereits Mitte des 19. Jahrhunderts über die heilsame Wirkung von Tieren. Mittlerweile zeigt sich, dass das Schnurren von Katzen eine Frequenz besitzt, welche die Heilung von Knochenbrüchen und eine Steigerung der Knochendichte begünstigen soll. Nach Erkenntnissen einer aktuellen Untersuchung senken tierische Therapeuten sogar das Schmerzempfinden. Sie verringern Angst-zustände und Depressionen von Patient*innen. Für eine Studie aus den 1990er Jahren besuchten Hunde eine Herzstation. Mit dem Ergebnis, dass sich der Zustand Erkrankter alleine durch die Anwesenheit der Vierbeiner verbesserte. Forscher*innen haben außerdem beobachtet, dass sich beim Anblick von Fellnasen Spastiken schneller lösen. Manche Wachkomapatient*innen schenken ihnen sogar ein Lächeln. Weil ihr Einsatz physische wie psychische Erleichterung bringt und den Heilungsprozess beschleunigt, empfiehlt das deutsche Robert-Koch-Institut (RKI) beispielsweise Therapiehunde ausdrücklich.
Besucht das eigene Haustier das erkrankte Herrl oder Frauerl in einer Einrichtung, ist nicht nur die Wiedersehensfreude groß, sondern auch der Effekt. Studien zufolge steigert allein das Streicheln der geliebten Katze oder des eigenen Hundes das Wohlbefinden von Patient*innen und senkt ihren Stresslevel ebenso wie den Blutdruck. Das zeigten auch Studien aus den „Personal Pet Hospital Visits“-Programm der US-amerikanischen Universität Houston. Die Ergebnisse sind so positiv, dass Haustiere ihre Besitzer*innen heute in fast allen großen Spitälern der Stadt besuchen dürfen.
Eisbrecher und Verbündete
Mag. Karl Weissenbacher, Leiter der Prüf- und Koordinierungsstelle Therapiebegleithunde am Messerli Forschungsinstitut an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, überraschen die positiven Ergebnisse von Haustierbesuchen nicht. „In Pflege und Geriatrie sind sie Eisbrecher und Verbündete von Erkrankten.“ Menschen mit Beeinträchtigungen oder Demenz würden sich zum Beispiel zunächst ihrem Haustier und später dem Therapie-Team öffnen. „Patient*innen machen durch den Besuch ihrer geliebten Vierbeiner viel mehr Dinge mit, die förderlich für Heilung sind. Hunde animieren beispielsweise zu Bewegung.“
Für den Besuch kommen jedoch nicht alle Haustiere infrage. „Hunde sind ideal dafür geeignet, weil sie seit mehr als 30.000 Jahren mit dem Mensch zusammenleben“, erklärt Weissenbacher. „Sie machten eine Ko-Entwicklung durch und haben ähnliche Sozialstrukturen wie wir.“ Als Besuchstiere ungeeignet seien hingegen „unerziehbare“ Vögel sowie Fluchttiere wie Pferde und Alpakas.
Entspannte Besuchshunde
Hunde hingegen zeigen sich nach einem Spitalsbesuch so entspannt wie nach einem Tag in den vier Wänden ihrer Familie. Das bestätigen Messungen ihres Stresshormons Cortisol. Es steigt auch im Krankenhaussetting nicht an. In Israel wurde eine Hündin berühmt, die sich so stark gegen eine Trennung von ihrem kranken Herrchen wehrte, dass sie mit ihm sogar offiziell im Krankenhaus aufgenommen wurde. Die Klinik in Tel Aviv erlaubte es der langhaarigen Mischlingshündin sogar, neben dem Mann im Bett zu schlafen.
Vor allem die Mit-Aufnahme von Haustieren ins Spital bedeutet allerdings einen hohen organisatorischen und räumlichen Aufwand. Die Haustiere müssen gepflegt, gefüttert und eventuell vom Tierarzt versorgt werden. Hunde brauchen Auslauf, Katzen benötigen Rückzugsmöglichkeiten, die für Patient*innen nicht zugänglich sind. Laut Weissenbacher ist die Mitnahme von Haustieren „nur dann gut möglich und organisierbar, solange Patient*innen das eigene Tier selbständig versorgen können“. Für den Hund oder die Katze ist ein Langzeitaufenthalt im Spital aber ebenfalls keine Wellness. Es riecht nach Desinfektionsmittel, dazu herrscht teilweise Hektik und die Böden sind für Pfoten sehr glatt. Das geht in der Regel nur für kürzere Zeit gut.
Straßenschuh-Regel für Vierbeiner
In punkto Hygiene gilt: Vierbeinige Familienmitglieder sollten auch bei liberalen Besuchsregeln im Spital nicht überall Zutritt haben. Die Türen geschlossen bleiben schon jetzt für Therapietiere beispielsweise gewisse Bereiche der Intensivstation oder einer mit immunsupprimierten Patient*innen. Laut Weissenbacher gilt eine Faustregel. „Haustiere dürfen in alle Abteilungen, die auch mit Straßenschuhen betreten werden.“ Speziell Hunde hätten jedoch ein anderes Keimspektrum als der Mensch. „Die Gefahr einer Übertragung von Bakterien oder Viren ist gering.“ Aber es gibt Zoonosen, weswegen Haus- und Therapietiere gesund sein müssen. Auf Weissenbachers Institut läuft gerade eine wissenschaftliche Studie. Sie untersucht das (multi-resistente) Keimspektrum von Vierbeinern. „In Männerbärten ist die Keimbelastung jedoch höher als auf Hundepfoten.“
Im Spitalssetting funktionieren nur Haustiere mit guten Manieren. Weissenbacher prüft mit seinem Team Therapiehunde ab einem Mindestalter von zwei Jahren. Für den Haustier-Besuch empfiehlt er ähnliche Standards: „Unreife Jugendliche sind wie bei beim Menschen für den Alltag im Spital ungeeignet.“ Außerdem müssen Haustiere gut sozialisiert, Zweibeinern gegenüber positiv eingestellt, offen und neugierig sein. „Ein Grundgehorsam mit Folgsamkeit, Geduld und Impulskontrolle ist nötig, aber kein Kadavergehorsam.“ Das Ziel sei klar: „Haustiere auf Besuch sind eine Unterstützung für Patient*innen und das medizinische Personal, dürfen aber nicht zur Zusatzaufgabe werden.“
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