Assistenzroboter: Die Zukunft der Pflege
Der akute Fachkräftemangel im Gesundheits- und Pflegebereich hat den Einsatz von Pflegerobotern und Künstlicher Intelligenz (KI) in den Fokus der Forschung gerückt. Smarte Assistenzsysteme sollen Pflegekräfte entlasten und den Alltag der Betroffenen verbessern. INGO sprach mit Sabine Köszegi von der TU Wien über die Anforderungen und Herausforderungen der neuen Technologien.
Pflegeroboter könnten in Zukunft eine wertvolle Entlastung bieten und helfen, dem zunehmenden Pflegenotstand entgegenzuwirken. Ihre Anwendung ist vielfältig: Schon jetzt können Modelle wie „Pepper“ Demenzkranken positive Impulse geben, indem sie spielerisch die kognitiven Fähigkeiten fördern, an die Einnahme von Medikamenten erinnern oder regelmäßig nach dem Wohlbefinden fragen. Sie können Bewegungsübungen vorschlagen, zur Teilnahme motivieren und so die Rehabilitation unterstützen. „Der Einsatz von Pflegerobotern ist jedoch ein komplexes und vielschichtiges Thema, das technische, ethische und soziale Herausforderungen miteinander verknüpft“, erklärt Prof.in Dr.in Sabine Köszegi, Professorin für Arbeitswissenschaft und Organisation an der TU Wien und Akademische Leiterin des Executive MBA Innovation, Digitalisierung und Entrepreneurship. „Grundsätzlich gilt: Je enger die Aufgabe eines Roboters definiert ist, desto eher lässt sich die Technologie umsetzen. Je unterschiedlicher die Fähigkeiten sein sollen, desto schwieriger wird die Entwicklung.“ Viele der Innovationen befinden sich noch in der Testphase und können derzeit nicht in der Praxis eingesetzt werden. Ein Aspekt dabei sei etwa die Mobilität der Roboter.
„Natürlich steht die Sicherheit der Technologie an oberster Stelle,“ betont Köszegi. Viele mobile Roboter wie Pepper seien bislang nicht in der Lage, Hindernisse wie Treppen oder Schwellen zu überwinden. „Es stellt sich die Frage, ob mobile Pflegeroboter zum Beispiel im privaten Bereich einsetzbar sind, da ja jede Wohnung ganz individuell gestaltet ist. Wie soll der Roboter sich verhalten, wenn sich Haustiere im Haushalt befinden, andere Personen zu Besuch oder Kinder anwesend sind?“ Diese und viele weitere Fragen müssen beim Design solcher Technologien bedacht werden. „Hier entpuppen sich vermeintlich einfache Aufgaben als große wissenschaftliche Herausforderungen.“
„Wir entwickeln die Funktionalitäten des Roboters in enger Abstimmung mit den späteren Nutzer*innen."
Ein anderes Thema ist beim Einsatz von KI und Robotik die Privatsphäre. Roboter „sehen“ mithilfe von Sensoren, wie etwa Kameras. „Das kann schwierige ethischen Fragestellungen mit sich bringen,“ hebt Köszegi hervor. Pflegeroboter müssten umfangreiche Daten aus ihrer Umgebung erfassen und verarbeiten, um effizient zu arbeiten. „Im Alltag entstehen so enorme Mengen sensibler Daten, die umfassend gesichert werden müssen“, betont die Professorin.
KI-gestützte Dokumentationshilfen
Für Köszegi liegt das Potenzial der Robotik vor allem darin, Pflegekräfte gezielt zu entlasten. „Etwa 40 Prozent der Arbeitszeit von Pflegekräften entfallen auf Dokumentationsaufgaben“, erklärt sie. „Assistive Technologien können hier wertvolle Unterstützung bieten, indem relevante Informationen mithilfe Künstlicher Intelligenz automatisch erfasst und strukturiert werden.“ Allerdings betont Köszegi, dass auch hier stets die Privatsphäre der Patient*innen und des Pflegepersonals gewahrt bleiben müsse: „Es ist entscheidend, ein System zu entwickeln, das versteht, nur das Relevante zu dokumentieren und sensible Daten auszuklammern.“ Um dies zu gewährleisten, arbeiten Köszegi und ihr Team seit einigen Jahren in einem partizipativen Designansatz eng mit den Pflegefach- und Führungskräften der Caritas Wien sowie betroffenen Personen als Forschungspartner*innen zusammen. „Wir entwickeln die Funktionalitäten des Roboters in enger Abstimmung mit den späteren Nutzer*innen. So können wir sicherstellen, dass ältere Menschen auch wirklich davon profitieren“, erklärt die Professorin. In welche Richtung sich die Entwicklung von Pflegerobotern zukünftig bewegen wird, hänge somit von vielen Faktoren ab. „Pflegeroboter sind letztlich technische Systeme, die in einem pflegerischen Umfeld autonom Informationen aus der Umgebung aufnehmen und in mechanische Abläufe umsetzen. Die menschliche Fachkraft werden sie jedoch auch in absehbarer Zukunft nicht ersetzen können“, fasst Köszegi zusammen.
Text: Rosi Dorudi
Fotos: © Luiza Puiu und © iStock-Miriam Doerr
Sabine Theresia Köszegi, Prof.in Dr.in
Professorin für Arbeitswissenschaft und Organisation am Institut für Managementwissenschaften der TU Wien und Akademische Leiterin des Executive MBA Innovation, Digitalisierung und Entreprene
Sabine Köszegi ist Doktorin der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste. Ihre Forschung liegt an der Schnittstelle von Technologie, Arbeit und Organisation. Im Jahr 2020 wurde sie mit dem Käthe-Leichter-Staatspreis für herausragende Leistungen in der Geschlechterforschung ausgezeichnet. Seit 2017 engagiert sich Sabine Theresia Köszegi in der wissenschaftlichen Politikberatung als Vorsitzende des Österreichischen Rats für Robotik und Künstliche Intelligenz, als Mitglied der High-Level Expert Group on Artificial Intelligence der Europäischen Kommission und als Mitglied der Future of Work Working Group des europäischen Think-Tanks Bruegel. Sie hat den Vorsitz des UNESCO-Beirats für Ethik der Künstlichen Intelligenz in Österreich inne und ist Mitglied des Beirats für Künstliche Intelligenz der Österreichischen Bundesregierung und im AI Advisory Pool der Stadt Wien.