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Österreich
28.12.2023

Intelligente Sprachprogramme: Hoffnungsträger eines überlasteten Gesundheitssystems?

Künstliche Intelligenz fasst auch im Gesundheitswesen immer mehr Fuß. Insbesondere von selbständig lernenden Sprachprogrammen, sogenannten LLMs, erwartet man sich künftig eine Entlastung des medizinischen Fachpersonals.

Was vor kurzem noch wie Science-Fiction klang, ist mittlerweile im Alltag angekommen: Computerprogramme sind heute in der Lage, die menschliche Denkweise zu imitieren – zumindest teilweise. Dafür nutzen sie im Idealfall Millionen von Daten, vergleichen und verknüpfen diese, verbessern dadurch ihre Fähigkeiten und treffen eigene Entscheidungen. 

Deep Learning, wie diese weiterentwickelte Art des maschinellen Lernens genannt wird, ist die Basis von Künstlicher Intelligenz und damit auch von LLMs, den Large Language Models. Diese verarbeiten mittels Deep Learning die menschliche Sprache mit dem Ziel, Gesprochenes zu verstehen, zu analysieren und selbst einen „menschenähnlichen“ Text zu kreieren – unter anderem als Antwort auf eine gezielte Frage. ChatGPT ist eine der bekanntesten Anwendungen, die auf einem LLM basiert. Der Chatbot hat das Interesse der breiten Öffentlichkeit an Sprachmodellen geweckt und dafür gesorgt, dass deren Entwicklung rasante Fortschritte macht. Auch (oder gerade) im Gesundheitswesen. Die Investitionen in die neue Technologie lagen allein in den USA im abgelaufenen Jahr im Milliardenbereich.

Virtuelle Krankenschwestern

Investierende Unternehmen bemühen sich dabei ebenso wie die Programmierenden, KI als Ergänzung zum Menschen zu promoten – nicht als dessen Ersatz. So könnten beispielsweise LLMs eingesetzt werden, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken – beispielsweise in der Pflege. Sprachprogramme sind in der Lage, ihre menschlichen Kolleg*innen zu unterstützen, indem sie Patientinnen und Patienten diverse Fragen, wie beispielsweise zu ihrer Medikation, beantworten, sie an die Medikamenteneinnahme oder die Therapie erinnern oder Termine vereinbaren. Eine LLM-Fachkraft spricht zudem alle Sprachen – und dokumentiert jedes Gespräch mit den Patient*innen automatisch. Das US-amerikanische Start-up Hippocratic AI hat eine derartige „virtuelle Krankenschwester“ bereits entwickelt.

"Keine andere Technologie hat das Potenzial, so große globale Auswirkungen auf die Gesundheit zu haben", sagt Munjal Shah, Gründer und CEO von Hippocratic AI.

Das Unternehmen will mit dem Slogan „Füge niemandem Schaden zu“ seinem Namen, der sich auf den Hippokratischen Eid bezieht, gerecht werden, indem es sein Programm wie einen realen Menschen schult. So habe es insgesamt 114 Prüfungen bestanden, beispielsweise in Zahnmedizin, Pharmazie, Krankenpflege und Gynäkologie, heißt es seitens Hippocratic AI. Zudem werde es von medizinischem Fachpersonal in seiner Entwicklung unterstützt und laufend weitergebildet. Im Gegensatz zu anderen GPT-Modellen, die kürzlich im Gesundheitswesen aufgetaucht sind, erstellt die Pflege-KI außerdem keine Diagnose. Zumindest noch nicht. „Wir glauben eigentlich nicht, dass Künstliche Intelligenz schon dafür geeignet ist“, erklärte dazu Munjal Shah, Gründer und CEO von Hippocratic AI. „Diagnosen sollten erst viel später erfolgen, wenn diese Modelle sicher sind“. Zudem sei das Gesundheitswesen nicht nur auf Ärztinnen und Ärzte reduziert“, so Shah. „Es gibt zahlreiche weitere Akteur*innen im Gesundheitssystem, die wirklich von KI profitieren könnten.“

Klinische Notizen machen

Für die großen Technologie-Konzerne wie Microsoft, Google oder Amazon, die bereits viel Geld in die Forschung von medizinischen LLMs gesteckt haben, ist aber auch die medizinische Diagnose durch Künstliche Intelligenz ein realistisches Szenario. Aktuell arbeitet man jedoch vor allem noch daran, LLMs dafür einzusetzen, Ärztinnen und Ärzten zeitraubende administrative Tätigkeiten abzunehmen. So sollen sie bei medizinischen Konversationen zuhören, sie verstehen und daraus relevante Information extrahieren und aufzeichnen. Der Arbeitsaufwand abseits der tatsächlichen Betreuung von Patient*innen würde so drastisch reduziert. Darüber hinaus ist die schnelle Durchforstung von Tausenden Gesundheitsdaten möglich, durch die beispielsweise etwaige Nebenwirkungen von Medikamenten für eine bestimmte Person gefunden werden können.

Große Hoffnung setzt man in LLMs auch bei der (Früh-)Erkennung von Krebskrankheiten. Die Computerprogramme durchforsten Studien, Computertomographien sowie Radiologieberichte und sind so in der Lage, fundierte Aussagen über onkologische Erkrankungen zu treffen. Zudem ist dadurch eine gezielte Behandlung der Patient*innen möglich, da die KI auf zahlreiche Beispiele von spezifischen Therapien zugreifen kann. „Noch sind wir nicht soweit“ erklärt dazu Greg Corrado, Forschungsdirektor bei Google AI. „Aber man kann bereits die ersten Fußspuren auf diesem Weg erkennen.“ 

Die Datenmengen, die LLMs verarbeiten können, ermöglichen aber noch mehr. So können gesellschaftliche Aspekte von der Freizeitgestaltung über Ernährung bis hin zum Arbeitsmarkt, medizinische Studien und andere Daten analysiert werden, um deren Auswirkungen auf das Gesundheitswesen zu erforschen. Und auch, wenn Hippocratic AI zumindest nach außen hin einen anderen Ansatz verkörpert als die Big Player im IT-Bereich, klingt das Fazit von CEO Munjal Shah nicht unähnlich: „Keine andere Technologie hat das Potenzial, so große globale Auswirkungen auf die Gesundheit zu haben“.

Text: Michi Reichelt; Foto: Unsplash

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